
Stadtteilmütter protestieren vor dem Bauministerium gegen Kürzungen. Foto: Susanne WolkenhauerStad
Auf dem Kongress des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ging es um die „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ und die Rolle der
Stadtentwicklungspolitik dabei. Mal abgesehen davon, wer sich eigentlich wo integrieren sollte, war damit das eigentliche Problem auf dem Tisch: „Wie geht es weiter mit der Integration im Stadtteil, wenn gerade die Integrationsprojekte weggekürzt werden?“
Mit den Haushaltsbeschlüssen des Bundestages wurden trotz zahlreicher Proteste nicht nur die Mittel stark gekürzt, sondern vor allem Integrations- und Bildungsprojekte wurden auf Betreiben der Bundesregierung aus dem Programm „Soziale Stadt“ genommen. Gleichzeitig schmückt man sich aber gerne mit den tollen Erfolgen und Maßnahmen, mit den „Stadtteilmüttern“ beispielsweise, die als Leuchtturm der Integration durch alle Medien geistern.
Hört auf mit Integration!
Schon der enge Integrationsbegriff brachte einige der Kongressbesucher/innen auf die Palme (= Pflanze mit Migrationshintergrund). Sie arbeiten seit Jahren gut qualifiziert in multikulturellen Teams und sind es leid, auf die Herkunft ihrer Eltern reduziert werden. Die Praktiker/innen vor Ort bekommen beim Wort „Integration“ Zustände. Es klingt wie die Hintergrundmusik zu Sarrazins Thesen und zu all den Klischees, denen die meist hier geborenen Gastarbeiterkinder zu entfliehen suchen. Muss man über die türkische Küche fachsimplen können, nur weil man einen türkischen Nachnamen hat? Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass man der/die Alibi-Migrant/in im Team ist, damit nach außen Interkulturalität demonstriert werden kann?
Teilhabe statt „Integration“
Zugegeben, es gibt sie noch, die Integrationsprobleme. Das Ankommen in der neuen Heimat hat auch damit zu tun, ob man hier sein und mitspielen will. Und ob man sich willkommen und respektiert fühlt. Dennoch: Die Linie verläuft mittlerweile doch mehr zwischen Arm und Reich, den Gebildeten und den so genannten „Bildungsfernen“ (auch so ein schönes Wort), der letzte OECD-Bericht bescheinigt Deutschland das weitere Auseinanderdriften von Gutverdienern und armen Schluckern.
Wenn im Zusammenhang von Stadtentwicklung von „Integration“ gesprochen wird, geht es nicht um die Zugewanderten, die sich in kurzer Zeit das aneignen können, was sie brauchen, um in der neuen Umgebung zu gedeihen und ihren Platz zu finden. Solche Neuzugänge werden als Bereicherung empfunden. Die anderen, um die es hier geht, werden dorthin gespült, wo schon die anderen Verlierer sind: In das heruntergekommene Viertel und in den Hartz-IV-Bezug.
Prof. Dr. Roland Roth von der Hochschule Magdeburg/Stendal brachte es in der Diskussion auf den Punkt: Es braucht Strategien und Taten statt Bekenntnisse. Und es braucht echte Teilhabe vor Ort, im Stadtteil, bei den Projekten. Schon länger sorgt sich Roth um die Zukunft unserer Demokratie, denn bürgerschaftliches Engagement setzt voraus, dass man eingebunden und geschätzt wird. Experten wie Roth warnen deshalb: Wo die Bürgerschaft, der Mittelstand, auch die Gebildeten weniger werden, ist letztendlich auch die Demokratie gefährdet.
Bildung ist der Schlüssel
Neben einer ernst gemeinten Teilhabe wird Bildung von den Fachleuten allgemein als Schlüssel der Integration erkannt. Ulrich Ernst, Dezernent für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Sport, berichtete aus Mülheim. Die Stadt im Ruhrpott hat einerseits eine relativ hohe Beschäftigung, gebildete Einwohner/innen und attraktive Wohnlagen. Dagegen konzentrieren sich die klassischen Probleme in einigen innerstädtischen Quartieren. Bei einer Untersuchung kam jetzt heraus, dass es sich lohnt, z.B. die Erfolge jeder Kita genauer zu analysieren. Optimale frühkindliche Bildung scheint sehr stark von der Qualität der einzelnen Einrichtung abzuhängen. Aus den Erkenntnissen müssen dann natürlich auch konkrete Vorgaben entwickelt werden.
Neben Bildung wurde, wie zu erwarten, auch immer wieder eine bessere Kooperation der Fachverwaltungen gefordert, die immer noch zu wenig sozialräumlich ausgerichtet seien. Damit einhergehen sollte natürlich auch eine optimierte Bündelung von Mitteln zugunsten der betroffenen Stadtteile.
Ausblick
Die Vertreterin des Ministeriums, Oda Scheibelhuber, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, hielt das Schlusswort: „Wir haben Ihnen aufmerksam zugehört und die guten Beispiele mit großen Respekt zur Kenntnis genommen.“ Ihre Mitarbeiter/innen nicht für die Kürzungen gewesen. Die Beschneidung des Programms sei vielmehr auf „Vorbehalte in Teilen des Parlaments“ zurück zu führen, formulierte sie vorsichtig.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Bedrohungen von rechts und der demografischen Entwicklung, so Scheibelhuber, sei es geradezu eine „patriotische Pflicht“, die Integration im Stadtteil und überall zu fördern.
Auch ermutigte sie die Anwesenden, sich unbedingt weiter für die „Soziale Stadt“ stark zu machen. Der politische Druck von unten habe bereits gewirkt und Schlimmeres verhindert.
Angesichts des Scherbenhaufens, den die Sparpolitik zu Lasten der Integrationsprojekte angerichtet hat, möchte man das gerne hoffen.
Noch etwas zum wunderschönen Ambiente des Kongresses im Heimathafen Neukölln. Als ich im Sommer zum letzten Mal hier war, erschien Thilo Sarrazin mit Freunden zu einer Vorstellung von „Arab Queen“. Das nenne ich integriert!
Anne Wispler